Elektronische Rechnungen
Definition
Elektronische Rechnungen sind digital übertragenen Rechnungsdaten, typischerweise in Form einer Datei, von einem Sender an einen Empfänger. Dies kann zum Beispiel eine XML-Datei per E-Mail, ein PDF-Download von einem Web-Portal aber auch ein Computerfax zwischen zwei Computern sein.
Elektronische Rechnungen sind unabhängig von der Zahlungsart, könnten also auch bar bezahlt werden.
Strukturiert vs unstrukturiert
Unstrukturierte Rechnungen sind menschenlesbar, wie beispielsweise die Bilddatei einer gescannten Papierrechnung. PDF-Dateien können zwar zusätzlich zu den Bilddaten einen Text enthalten, aber selbst in diesem Text ist die Bedeutung beispielsweise der Beträge nicht maschinenlesbar eindeutig definiert. Das bedeutet, dass PDF-Dateien mit und ohne Text grundsätzlich unstrukturiert sind: Eine Software könnte die Bedeutung eines Betrages höchstens mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erraten. In der Regel macht dies mindestens eine manuelle Prüfung erforderlich.
Im Gegensatz dazu sind strukturierte elektronischen Rechnung in der Regel eine XML-Datei: XML-Rechnungen definieren Daten und Bedeutung aber typischerweise kein Layout.
Strukturierte elektronische Rechnungen sind für B2G Rechnungen in einigen Ländern bereits verpflichtend, unter anderem seit November 2020 für Nationale Behörden in Deutschland.
Hybrid vs nativ
Da das Layout nicht definiert ist müsste der Empfänger, wollte er rein strukturierte Dateien drucken, vorgeben dass beispielsweise die Gesamtsumme unten Rechts auf der Seite darzustellen sei. Es gibt viele native Formate und Versionen, die UN/CEFACT Cross Industry Invoice (Anforderungen, Schema und Referenz, “Vokabular” und Codelisten) und UBL sind nur zwei Beispiele (und es gibt eine sehr interessante Aufstellung warum sich UBL und UN/CEFACT überhaupt auseinanderentwickelt haben).
Die Lesefähigkeit für strukturierte Rechnungen kann in Programme integriert sein. So muss derzeit jede verarbeitende Software das jeweilige Format verstehen und dem Nutzer präsentieren können: Sie können die mathematische Korrektheit dann zwar automatisch nachrechnen aber ob das auch so bestellt war und geliefert wurde ist typischerweise noch ein manueller Schritt.
Hybride e-Rechnungen definieren sowohl Struktur als auch Layout. Factur-X/ZUGFeRD definiert das Layout beispielsweise in einer konventionellen PDF-Datei und kann mit jedem PDF-Anzeigeprogramm gelesen werden. Die Daten (welcher Betrag ist welcher Steuerbetrag und so weiter) ist zusätzlich in einer XML-Datei definiert die in die PDF-Datei eingebettet ist.
Aufgrund der weitverbreiteten PDF-Lesesoftware können viele Empfänger die Rechnungen wie üblich “manuell” nutzen (i.e. bezahlen). Die Informationen im XML-Teil können automatisch herangezogen werden, wenn die Software des Nutzers Factur-X/ZUGFeRD versteht.
Das FeRD hat Richtlinien für den Gebrauch elektronischer Rechnungen veröffentlicht. E.ON Energie Deutschland GmbH hat einen sehr einfachen (deutschen) Erklärfilm für hybride E-Rechnungen veröffentlicht:
Nutzen
- Magische Scans (nur hybride Rechnungen)
- Scandienstleister können zusätzlich zur Texterkennung eine Rechnungserkennung anbieten und die Ergebnisse in einer Datei liefern.
- Procure-To-Pay (hybride und native Rechnungen)
- Wenn Firmen ERP-Systeme nutzen und darin
- Bestellungen erfassen und ihren
- Wareneingang verbuchen können
- ZUGFeRD-Rechnungen automatisch bezahlt und dunkel verbucht werden
Die Rechnungen können dabei automatisch den Bestellungen zugeordnet werden.
- Verbesserte Zusammenarbeit mit Lieferanten (hybride und native Rechnungen)
- Einige Firmen haben einen signifikanten Anteil ihre Zulieferer überredet, ZUGFeRD-Rechnungen zu versenden. Das spart Zeit und damit Geld weil keine papierbehafteten oder unstrukturierten digitalen Rechnungen mehr bearbeitet werden müssen.
- Automatische Zahlung, automatisches Nachrechnen, automatischer Vorsteuerabzug (hybrid und nativ)
- Es gibt keinen Bedarf mehr IBAN, Zahlungstermin, Betrag oder Verwendungszweck per copy&paste zu übertragen, es reicht die Datei(en) auszuwählen, die gezahlt werden sollen. Das geht beispielsweise mit der Open-Source Onlinebanking-Software Hibiscus oder ein kommerzielles Produkt namens CIB SEPArator das ZUGFeRD-Dateien in SEPA XML umwandelt.
Nur vergleichsweise wenige Quellen zeigen eine Übersicht über die weltweite Verbreitung elektronischer Rechnungen.
B2G-E-Rechnungen in Europa
Einige Länder haben Ihre Zulieferer und Dienstleister zu strukturierten elektronischen Rechnungen an die Behörden (B2G) verpflichtet, so zum Beispiel der Vorreiter Dänemark 2005, gefolgt von Schweden 2008, Spanien und Finland 2010 und Österreich sowie Italien 2014.
Schon 2009 konnte Dänemark glaubhaft machen mit der E-Rechnung jährlich 100 Millionen Euro zu sparen. 2014 entschied sich dann die EU mit Ihrer Richtlinie 2014/55 EU zur gesamteuropäischen Einführung.
Die EU Gesetzgebung sowie das e-Rechnungsgesetz bzw. die e-Rechnungsverordnung sprechen von „elektronische Rechnung“ im Sinne von „strukturierte elektronische Rechnung“ während das Umsatzsteuergesetz bei elektronischen Rechnungen sich sowohl auf strukturierte als auch auf unstrukturierte bezieht. Der nicht einheitliche Sprachgebrauch führt beispielsweise einem Artikel der unterstellt, 68% der Unternehmer kännten nicht einmal die Definition der elektronischen Rechnung (der Artikel fragt nach elektronischer Rechnung, bezieht sich dann allerdings ausschließlich auf strukturierte elektronische Rechnungen).
Die europäische Normungsbehörde CEN hat EN16931 veröffentlicht um EU/2014/55 normentechnisch zu ergänzen und zu begleiten, die von den nationalen Normungsbehörden – in Deutschland dem dazugehörigen Beuth-Verlag – bezogen werden kann. Die Norm teilt sich auf in fünf Teile von denen die ersten zwei, die Liste der Syntaxen EN16931-1 und die Rechenregeln EN16931-2, kostenlos erhältlich sind.
Die Schweiz folgte mit elektronischen Rechnungen in 2016. Deutsche Bundesbehörden akzeptieren seit November 2018 elektronische strukturierte Rechnungen und lehnen seit November 2020 nicht-elektronische Rechnungen ab. Länder, Städte und Kommunen stellen seit April 2021 um.
B2B
Elektronische Rechnungen sind im europäischen B2B-Verkehr freiwillig.
Es gibt seit 2022 zwar eine Initiative des europäischen Parlaments, grenzüberschreitende B2B(?) E-Rechnungen mit einem Gemeinsamen Standard zu vereinfachen (Empfehlung C1), dabei geht es aber nicht um eine Verpflichtung.
Mit Ausnahme von Italien, die zum 1. Januar 2019 verpflichtende B2B e-Rechnungen eingeführt haben und gegenüber 2018 3% Umsatzsteuermehreinnahmen erreicht haben sind B2B-E-Rechnungen noch nirgends verpflichtend.
In Dezember 2022 hat die EU detailliertere Pläne zu einer Mehrwertsteuerreform, genannt VAT in the Digital Age, kurz ViDA, kommuniziert, der auch den Weg für ein europäisches Umsatzsteuermeldesystem und grenzübergreifende e-Rechnungen ebnen soll.
Frankreich führt verpflichtende B2B e-Rechnungen zwischen 2024-2026 ein.
Ihr nationales B2G-Rechnungsportal Chorus Pro (englische Dokumentation und EDI und API-Beschreibung) wird dafür erweitert und um Schnittstellen mit dezentralen zertifizierten Dienstleistern ergänzt.
Nach einer Studie wie der italienische Ansatz auch auf Deutschland angewendet werden könnte hat der Bundesrechnungshof das Thema nochmal erwähnt, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat es untersucht und eine Partei hat verpflichtende e-Rechnungen für den B2B-Verkehr in Deutschland gefordert. Im Koalitionsvertrag von 2021 vereinbaren die Parteien immerhin schonmal die Vorstufe zum e-invocing, ein pro-Rechnungs-Meldesystem (CTC, Continuous Transaction Control) für USt bei den Finanzbehörden: “Wir werden schnellstmöglich ein elektronisches Meldesystem bundesweit einheitlich einführen, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird. So senken wir die Betrugsanfälligkeit unseres Mehrwertsteuersystems erheblich und modernisieren und entbürokratisieren gleichzeitig die Schnittstelle zwischen der Verwaltung und den Betrieben.” Im November 2022 hat Deutschland bei der EU die nach Art. 395 MwStSystRL notwendige Ausnahmegenehmigung beantragt um eine B2B-E-Rechnungsverpflichtung einzuführen und am 18.04.2023 wurde ein “Diskussionsvorschlag” eingebracht ob das zum 01.01.2025 möglich sei ((deutsche) Quelle). Was ambitioniert erscheint, erfasst man derzeit (Stand April 2023) nicht einmal die Anzahl der kursierenden Rechnungen, geschweige denn ihren Inhalt.
Alexander Kollmann et al. haben verschiedene möglichen Modelle aufgezeigt, und beschreiben einen eher geringen Aufwand, mit Peppol ein mögliches Modell ähnlich wie das umzusetzen, das derzeit in Frankreich verwendet wird, umzusetzen: Das französische Modell ist im Wesentlichen das rechte in der Grafik auf S.6 mit dem Unterschied, dass der Staat auch Rechnungen stellt.
In Österreich gelten für elektronische Rechnungen ähnliche Vorschriften wie für Papierrechnungen, es kann mitunter sogar erlaubt sein elektronische Rechnungen auszudrucken und zu archivieren. In Deutschland gilt das nicht, aufgrund der GOBD müssen digitale Rechnungen auch digital archiviert werden.
In Ungarn müssen elektronische Rechnungen noch digital signiert werden. Polen und Griechenland planen möglicherweise eine B2B-e-Rechnungspflicht für “Entrepreneurs”.
Betreffs der Schweiz scheinen die Behörden zumindest an ZUGFeRD nichts auszusetzen zu haben, s.Simone Sporing’s Rede “Die E-Rechnung in Industrie und Handel” in 2018.
Für weitere Details zu den EU-länderspezifischen Regelungen siehe beispielsweise das vierte (2020er) “EU compendium on e-invoicing retention”, die e-Invoicing country factsheets oder die Sammlung rechtlicher Grundlagen für elektronische Rechnungen in der Sammlung der Rechtsgrundlagen für elektronische Rechnungen in der EG.
Situation in Deutschland
B2G
Wie im E-Rechnungsgesetz (geändertes E-Rechnungsgesetz im Bgbl 19/2017) und der E-Rechnungsverordnung angeordnet wurden strukturierte e-Rechnungen vis á vis den Bundesbehörden (und dem Land Bremen) im November 2020 in Deutschland verpflichtend und gegenüber den Landesbehörden mittlerweile möglich. Verpflichtend folgen noch die Länder Baden-Württemberg und Saarland (ab 01.01.2022), Mecklenburg-Vorpommern ab 01.04.2023, Rheinland-Pfalz ab 01.01.2024 und Hessen ab 18.04.2024 (Quelle).
Grundsätzlich sind alle Formate gemäß der Richtlinie 2014/55 EU erlaubt die in CEN 16931 aufgeführt werden und den deutschen Anfoderungen=dem nationalen Anforderungsprofil (CIUS, Liste) entsprechen. Nach der ersten deutschen CIUS XRechnung wurde das ZUGFeRD 2 Profil EN16931 aufgenommen.
In Deutschland waren bei der bundesweiten Neuregelung möglicherweise rund 300000 Zulieferer und Dienstleister betroffen.
B2B
Die deutschen GOBD legen Absendern und Empfängern digitale Archivierungs- und Sorgfaltspflichten auf.
Zu den wichtigsten Anforderungen gehört eine revisionssichere digitale Archivierung (auch eingebetter XML-Daten) sowie eine Prozessdokumentation auf Sender- und Empfängerseite. BITKOMs hat die zehn wichtigsten Anforderungen zusammengefasst und u.a. einen umfangreichen Anforderungskatalog vis á vis Dokumentenmanagementsysteme veröffentlicht.
Einen 20-Minuten-Vortrag von 2016 zum Thema elektronische Rechnungen für KMUs findet sich auf Youtube, mit einem 10-Minuten-Update von 2019, unter anderem zum “Verhalten im E-Rechnungsfall”.
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Zusammenfassend dürfen digitalisierte=gescannte Rechnungen zwar vernichtet werden, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. So muss bspw. geklärt sein wer jeden einzelnen Scan auf Vollständigkeit und Lesbarkeit verantwortet und eine Vernichtung des Originals ist vor der
ersten digitalen Sicherungskopie untersagt.
Es gibt eine Musterverfahrensdokumentation zum Ersetzenden Scannen und eine generelle Musterverfahrensdokumentation zur digitalen Belegablage. Die DATEV hat in Musterprozessen die grundsätzliche Rechts- und Beweissicherheit digitaler Unterlagen dargelegt.
In Deutschland gibt es keine rechtliche Anforderung den Empfänger vor dem Versand einer elektronischen Rechnung um Erlaubnis zu fragen. Bei Akzeptanz, spätestens bei Zahlung der Rechnung bestätigt er konkludent, dass er elektronische Rechnungen akzeptiert und unterliegt implizit den zusätzlichen Regularien (Stichwort GoBD). Der Empfänger kann statt dessen explizit nach einer Papierrechnung fragen, die ihm in diesem Fall zugestellt werden muss.
Rechenregeln
EN16931 besteht aus EN16931-1 bis -5. Die ersten beiden Teile, EN16931-1, der die Rechenregeln, Anzahl Dezimalstellen etc. festlegt, und EN16931-2, der die erlaubten Formate listet, stehen zum kostenlosen Download zur Verfügung steht.
Attributwerte
Es gibt eine sehr hilfreiche Liste aller Codes, die in EN16931 bspw. für Währungen, Länder oder Identifikationen verwendet werden können, zur Verfügung.
Geschichte
Weitere Quellen
- Allgemeine Themen
- Der ECO hat den Begriff passive Akzeptanz geprägt
- Seeburger hat ein Whitepaper zum Thema Purchase-To-Pay veröffentlicht
- GS1 hat in der Schweiz ein Whitepaper zum Thema Elektronische Hybridrechnung PDF mit XML veröffentlicht
- Statistiken und Zahlen
- IBI hat 2017 eine Studie veröffentlicht, dass 62% aller Organisationen Rechnungen per E-Mail verschicken, 42% erhalten Daten eingegangener elektronischer Rechnungen aber nur 25% benutzen diese Daten.Ungefähr die Hälfte der Organisationen haben noch keine Verfahrensdokumentation.
- Der DIHK sagt 48% unterstützen die Verarbeitung elektronischer Rechnungen
- Validierung
- Das CEN hat eine Schematron-Datei for UN/CEFACT CII SCRDM 16B freigegeben,
- Der X-Rechnung Validator basiert auf diesem Schematron und beinhaltet auch einige Beispieldateien
- Der FNFE basiert auf dem Factur-X-Validator
- Der Validierer der ZUGFeRD Community basiert auf Mustang
- Die CEF bietet auch einen Validierer wie verlinkt
- Auf Peppol practical gab es Validierer der mittlerweile umgezogen ist und auf einer Open-Source Engine basiert